Nach einer unruhigen Nacht in Dutch Harbor – das Hotel beherbergt auch eine der einzigen Bars im Ort, und es war Samstag Abend – reist mich das Telefon früh aus dem Schlaf. Michelle von der Fluggesellschaft PenAir meldet sich fröhlich zirpend mit der Neuigkeit, dass das Wetter heute morgen fabelhaft sei, nachdem mein Flug tags zuvor gestrichen worden war. Ob ich in 20 Minuten am Flughafen sein könne? Müsste passen, meine ich, stürze mich umgehend in meine Kleider, schnappe meinen Rucksack und stürme nach Draussen. Was klingt wie die üblichen herbeigesponnenen Wunschtraum-Märchen zu Beginn von Flugsimulator-Berichten, geschah heute Morgen wirklich. Willkommen in Alaska!

 

Und wahrlich, das Wetter ist für aleutische Verhältnisse wunderbar!

 

 

Genau 22 Minuten später hatte ich den Marsch zum Flugplatz hinter mich gebracht und stand Michelle am Check-in Schalter in persona gegenüber. Bordkarte gab's keine, Identitätskontrolle gab's keine, Gepäckkontrolle schon gar nicht. Nach einer halben Stunde wurden die drei Passagiere zum Bording gebeten - und endlich stand ich Angesicht zu Angesicht mit einer ausgewachsenen Grumman Goose, Jahrgang 1951. Yeah! Doch damit nicht genug! Die herzensgute Michelle hatte dem Piloten offenbar mitgeteilt, dass ich nur des speziellen Fliegers wegen hier sei - und schwupps, wurde ich auf den Kopiloten-Sitz vorne im Cockpit eingeladen. So macht das Leben Spass!

 

 

Auf geht’s, auf einen wilden Ritt durchs äusserste Alaska!

 

GPS-Track: [url]http://de.wikiloc.com/wikiloc/view.do?id=2505959[/url]

 

Nachdem die anderen zwei Passagiere Platz genommen hatten, wurden die beiden auf den Flügeln montierten Triebwerke gestartet, und sie meldeten sich stotternd und spuckend und mit gehöriger Rauchfahne zum Dienst. Alles klar, ab geht's zur Piste!

 

 

Neben mir drückte der Pilot nun die beiden Schubhebel nach vorne, die zweimal 440 Pferde auf dem Dach des Fliegers wurden entfesselt und trieben uns die Runway hinunter.

 

Nach wenigen Metern erhoben wir uns in die Luft, und begannen im tiefen Geradeausflug über der Piste, Geschwindigkeit aufzunehmen. Was für ein tolles Gefühl, nach drei gemächlichen Tagen auf See endlich wieder abzuheben - und dann gleich so!

 

 

Wunderschöne Szenerie, während der Pratt & Whitney R-985 schön laut vor sich hinsummt

 

 

 

In dem 61-jährigen Charakterflieger in wenigen hundert Fuss Höhe über die schroffe Inselwelt zu brettern war einfach coooool!

 

Nach einiger Sucharbeit fand mein Pilot den besten Weg durch ein paar lokale Regenschauer (so viel zu Michelles "fantastischem" Wetter), und schon bald kam die Insel Akutan in Sicht.

Wenige Minuten später glitt die Goose in geringer Höhe über das tiefblaue Meer, bevor sie sich äusserst sanft in ihrem zweiten Element niederliess. Eine gehörige Wasserfontäne spritzte uns entgegen, als die Schwimmer am Ende der Flügel ihrerseits ins kühle Nass eintauchten. Wir waren gelandet!

 

 

 

Nach der Landung lässt der Pilot neben mir die Motoren noch einmal aufheulen, um die Goose aus dem Wasser die Rampe hoch auf das kleine Vorfeld zu bugsieren – sehr eindrücklich! (im Video ab 0:45)

 

 

Und hier sind wir – auf der Akutan Seaplane Base!

 

 

Die halbe Dorfbevölkerung eilt herbei, um beim Entladen der Maschine zu helfen

 

 

Die Schwestermaschine war kurz vor uns angekommen– sie brachte, wie unschwer zu erkennen, Post und Frachtgut!

 

 

Hach, eigentümlich aber schön, die Goose!

 

 

Akutan ist die Heimat der grössten Fischverarbeitungs-Anlage der vereinigten Staaten (!), über 800 Leute arbeiten hier im Schichtbetrieb, nur ca. 75 Personen leben das ganze Jahr hier. Da keine Arbeiter nach Dutch Harbor zurück mussten, war ich mit dem Piloten Paul nun alleine im Flieger – immer eine vielversprechende Kombination! Und er zeigte mir auch gleich, was die Maschine draufhatte, und bretterte kurz nach dem Start ansprechend tief über die Hügel...yay!

 

 

Schööön!

 

 

Paul, der Pilot, stammt aus Chicago und flog früher für eine grosse US-Airline die Jets in der Welt umher. Doch irgendwann reichte es ihm und er zog mitsamt der Familie hierher ans Ende der Welt, nur um die Goose fliegen zu können. Dementsprechend Spass hat er an seinem Job, und dementsprechend bestrebt war er, mir all die Vorzüge des Fliegens hier zu zeigen. Er drehte nun so richtig auf, und gab keine Ruhe, bevor ich nicht jedes Grasbüschel auf jeder Klippe aus nächster Nähe und jedem möglichen und unmöglichem Blickwinkel bestaunt hatte. Auch sonst flog er hier und dort noch einen Umweg, um mir ein paar schöne oder bedeutende Ecken seiner Inseln zu zeigen.

Kurzer Tiefflug über ein hübsches Inselchen? Null problemo!

 

 

Ein Blick auf die omnipräsenten Klippen...

 

 

...welche mich Paul auch bald aus nächster Nähe bestaunen liess :)

 

 

Einfach der Wahnsinn!

 

 

Die ganze Show gipfelte schliesslich darin, dass wir zurück in Dutch Harbour überraschend tief anflogen, und ehe ich es mich versah, auf dem Wasser *vor* der Piste aufsetzten und schliesslich lässig über die Hauptstrasse hinweg aufs Vorfeld rollten. Wie cool ist das denn?!

 

 

Ich sei ja nicht den weiten Weg ans Ende der Welt gekommen, um auf einer Betonpiste zu landen, meinte Paul danach lapidar. Recht hatte er! Wobei, nur für mich alleine machte er das dann doch nicht - denn sein Grinsen war bei den ganzen Aktionen noch fast breiter als meines!

Zurück in Dutch Harbor gab’s noch einen Cabin Shot, dann musste Paul bereits weiter zum nächsten Inselflug. Der wurde dann allerdings aufgrund des Wetters auch gecancelt – nicht nur schlechte Sicht machen der Goose zu schaffen, sondern besonders auch hoher Wellengang des Meeres. Deshalb sind die Tage der Wasserlandungen in Akutan gezählt, und eine befestigte Piste soll in Bälde eröffnet werden. Schade!

 

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